Bremer Bier statt bayrische Rollenklischees
Sie wollten in einer anderen Stadt ein Zuhause finden. Am Ende sind sie wieder nach Bremen zurückgekommen. Mit ihren Karriereplänen, ihren Familien, ihren Ideen. Warum? Das habe ich drei Rückkehrer:innen gefragt. Braumeisterin Doreen-F. Gaumann war eine davon.
Als Doreen-F. Gaumann 2014 ihre Umzugskisten packte und in eine kleine nordrhein-westfälische Gemeinde aufbrach, hat sie nicht unbedingt gedacht, dass sie Bremen in den nächsten Jahren so stark vermissen würde. Provinz und ländliche Mentalität, das kannte sie bereits. Aus Kindheitstagen. Das niedersächsische Dorf, aus dem sie ursprünglich stammt, zählt lediglich 1.500 Einwohner:innen.
Nach Bremen mit mehr als einer halben Million Einwohner:innen mehr kam sie 2012 für ihre Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin. Zwei Jahre verbrachte sie an der Weser, bevor sie unternehmensintern an einen Standort in Nordrhein-Westfalen wechselte. Nach Issum, Kreis Kleve. »Die Umgebung dort ist wahnsinnig schön und der Freizeitwert für alle, die auf Natur stehen oder mal flugs in die Niederlande wollen, entsprechend hoch«, erinnert sich die 30-Jährige. »Aber mit der Mentalität dort bin ich überhaupt nicht zurecht gekommen. Ich hatte sofort das Dorffeeling von früher, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht wie in meiner Kindheit jeden kannte, sondern die Außenseiterin war. Es ist mir einfach nicht gelungen, Anschluss zu finden.« Entsprechend unglücklich fühlte sich Doreen – und entsprechend leicht fiel ihr die Entscheidung, ihren unbefristeten Arbeitsvertrag zu kündigen, um in München ihren Meister zu machen.
»Beim Business-Speeddating in der Meisterschule München habe ich von allen potenziellen Arbeitgebern widergespiegelt bekommen, dass ich als Frau kaum eine Chance auf Karriere habe. Seit sieben Jahren beweisen mein Bremer Arbeitgeber und ich das Gegenteil.«
Nächste Station also Bayern. Einige Wochen wohnte sie im Zentrum Münchens (»Es gab so viel zu entdecken, ich kam mir vor wie ein Touri«), dann suchte sie sich eine Wohnung in direkter Nachbarschaft zur Meisterschule, im Vorort Gräfelfing. Als »Schwachhausen von München« beschreibt die Braumeisterin das Quartier, das sich durch schmucke Kulisse mit viel Grün und perfekter Verbindung zur Innenstadt auszeichnet. Aber auch in der bayrischen Hauptstadt stellte sich das gleiche Gefühl ein wie zuvor in Nordrhein-Westfalen: Die Mentalität passt nicht!
Weser Kurier-Lektüre in München
Bremen entwickelte sich immer mehr zum Sehnsuchtsort und Doreen intensivierte, was sie schon länger tat: Sie las Nachrichten aus Bremen, schaute, was sich in der Stadt so tat. Und entdeckte eines Tages im Weser Kurier, dass die historische Unions Brauerei Bremen wieder zu neuem Leben erweckt werden sollte. Wohlwissend, dass es in Bremen nur eine Handvoll Brauereien gibt, war ihr klar: Das ist die einzige Chance für lange Zeit, dorthin zurückzukehren, wo sie so gern leben möchte.
Sie meldete sich proaktiv bei den Besitzern der Unions Brauerei – und ergatterte schließlich die Stelle als Braumeisterin der sich im Aufbau befindlichen neuen Brauerei. Damit geschah, was ihr beim Speeddating zwischen Meisterschüler:innen und potenziellen Arbeitgeber:innen an der Brauereischule in München immer als unerfüllbarer Wunsch dargestellt wurde: Sie bekam eine einflussreiche Position in einer Branche, die von Männern dominiert wird.
»Ich weiß jetzt genau, was ich nicht will.«
Heute lebt Doreen in Bremen-Hulsberg, flaniert nach Feierabend am liebsten durch die Nebenstraßen von Walle oder Schwachhausen und könnte zufriedener nicht sein. Sie hat ihren Traumjob in ihrer Lieblingsstadt. Dass sie Bremen zwischenzeitlich den Rücken gekehrt hat, bedauert sie nicht. »Ich weiß dadurch genau, wie und wo ich nicht leben will.«
Was sie an Bremen so schätzt, kann sie gleichzeitig noch besser in Worte fassen. »Die Mentalität hier ist geprägt von einer gesunden Zurückhaltung.« Die Bremer:innen seien bodenständig und machen es Neulingen leicht, Fuß zu fassen. »Wenn ich die Atmosphäre beispielsweise mit München vergleiche, dann ist es so, als würde man zwei Wochen gediegen in einem Hotel Urlaub machen. Das ist nichts für immer. Am Ende möchte man einfach wieder nach Hause und Spaghetti auf dem Sofa essen.«
Text: Sandra Lachmann
Fotos: Mirko Christmann