Creative Hub: 8.000 Quadratmeter Netzwerk

 

Wie sagt man so schön? »Bremen ist ein Dorf.« Wegen der kurzen Wege und des guten Netzwerks. Bleibt man in diesem Bild, dann gibt es für Kreative und Gründungswillige einen neuen Dorfplatz: den Creative Hub. Immer wieder begegneten unserer Autorin Nuria Fischer Gründer*innen und Projekte, die Teil dieser Community sind. Deshalb hat sie nun hinter die Kulissen des Innovationszentrums geschaut.

Text: Nuria Fischer, Fotos: Jule Schlicht, Kunst im Headerbild: Huong Ly Bui

Seit gut einem halben Jahr bin ich in der Gründungsszene unterwegs und seitdem von einem fest überzeugt: Die Zukunftsfähigkeit einer Stadt misst sich auch daran, welche Entfaltungsmöglichkeiten sie neuen Ideen, Gründer*innen und Zukunftsgestalter*innen bietet. Dafür braucht es Raum und Orte der Begegnung, in denen sich das ansässige Innovationspotenzial entfalten kann.

Bremen schafft diesen Raum, denn die Stadt hat die Chancen der Zwischennutzung längst entdeckt. Und wendet sie im Stadtteil Hulsberg mit dem Innovationszentrum Creative Hub mal wieder in großem Stil an. Es ist ein gutes Beispiel für die Lebendigkeit der Bremer Gründungsszene.

 

»Zwischennutzung« bedeutet, dass leer stehende Gebäude in dem Zustand, in dem sie sich befinden, zu oftmals geringen Kosten und meist befristet gemietet werden können. Vor einiger Zeit haben wir euch bereits über die Bremer Zwischenzeitzentrale als Pionier in diesem Bereich berichtet, die es vor allem kreativen Geschäftsideen ermöglicht, in der Großstadt Räumlichkeiten zu finden.

Im Oktober 2021 ist der Creative Hub in die ehemalige Doktor-Hess-Kinderklinik gezogen. Mit einer Fläche von 8.000 Quadratmetern und über 200 Räumen eignet sich das Gebäude perfekt für ein experimentelles Zwischennutzungsprojekt.

 

»Unser Ziel war, ein Zentrum für kreative Entfaltung, aber auch 

für Innovationen und für Gründungsprojekte zu schaffen, 

das komplett subventioniert ist.« 

Marc Fucke Co-Founder Visionskultur

Die Gründer von Visionskultur, Hachem Gharbi und Marc Fucke, hatten gemeinsam die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem Gründer*innen nicht nur räumlich unterstützt werden, sondern gleichzeitig vom Austausch mit der Community profitieren und durch Beratungsangebote gefördert werden. Den Creative Hub konnten sie erstmals 2020 als Pilotprojekt im alten Bundeswehrhochhaus in der Falkenstraße umsetzen.

Der Creative Hub ist ein gemeinnütziger Verein, der zu großen Teilen über Drittmittel finanziert wird. Inzwischen wird das Projekt von der Senatorin für Wirtschaft und Arbeit in Europa gefördert. Außerdem unterstützt die GeWoBa als Kooperationspartner bei den Räumlichkeiten. Für einzelne Projekte, wie beispielsweise Veranstaltungen werden zusätzliche Fördermittel generiert, um die Kosten abzudecken.

Austausch, Kommunikation & Netzwerk

Céline Rohlfsen und Julia Twachtmann von Simply Impact sind von Anfang an dabei. Die beiden Gründerinnen bieten Karrierecoaching mit Fokus auf Nachhaltigkeit an. Mit ihrem Onlinekurs »Sustainable Career Compass« unterstützen sie vor allem Berufseinsteiger*innen darin, sich ihrer eigenen Werte und Stärken bewusst zu werden und die eigene Karriere entsprechend auszurichten.

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Die beiden haben während der Corona-Zeit gegründet, weshalb der Wunsch nach Community und kreativem Austausch mit anderen Projekten besonders groß war. Mit dem Creative Hub wurde er erfüllt.

Foto: Marike Elwers
Foto: Marike Elwers

»Alle sagen immer Hallo. Es ist ein freundliches und herzliches Miteinander. Das sind Kleinigkeiten, die aber immer mal ein bisschen Licht in den Arbeitsalltag bringen«, beschreibt Julia die Begegnungen auf den Fluren. 

Von der ersten Neugier, »mal zu gucken, was passiert, wenn in Bremen Dinge passieren« sind sie mittlerweile schon ein drittes Mal mit dem Creative Hub umgezogen, nun in die alte Kinderklinik.

 

»Als junge*r Gründer*in muss man nicht das Rad neu erfinden. Es gibt genug Expertise hier in Bremen, von der man profitieren kann.« 

Hachem Gharbi, Co-Founder Visionskultur

 

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig Austausch, Kommunikation und Netzwerk im Gründungsprozess sind. Viele Menschen sind den Weg schon vor einem gegangen und von dieser Erfahrung lohnt es sich zu profitieren. Der Creative Hub versteht sich als sicherer Ort, an dem über die eigenen Ideen gesprochen werden kann. Die Community ist dafür da, sich gegenseitig zu unterstützen und zu fördern. Das Team des Creative Hubs bietet zusätzlich zur Community Einzelberatung an. Simply Impact haben besonders in der Ideenfindung und Gründungsphase von diesem Angebot profitiert, erzählen sie. Heute geben sie wiederum ihre erlangte Erfahrung an die Community weiter.

 

 

Aktiv Begegnung gestalten

Aufgrund von Corona sind aktuell allerdings viele Mitglieder vom Hub weniger oder gar nicht vor Ort und meiden Veranstaltungen. Netzwerktreffen und Workshops werden größtenteils online veranstaltet. In einem wöchentlichen Newsletter und über Social Media wird Aktuelles veröffentlicht und über die verschiedenen Mitglieder informiert. Durch informelle Events vor Ort, wie Open Stages oder After Work Treffen, versucht das Team von Visionskultur zusätzlich den Austausch anzuregen.

Der Vernetzungserfolg hängt dennoch stark vom eigenen Engagement ab. Es bedarf einer Prise Mut, an die Türen zu klopfen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Ein schönes Beispiel, wie Begegnungen aktiv gestaltet werden, zeigt der Arabische Frauenbund. Der gemeinnützige Verein hat an Weihnachten überall angeklopft, sich vorgestellt und selbst gemachte Plätzchen verteilt.

 

Der Arabische Frauenbund ist ein Kulturverein, der arabischen Frauen einen Ort bietet, um sich auszutauschen, weiterzubilden und gegenseitig zu unterstützen. »Unsere Ziele sind Integration, Gleichberechtigung, Arbeit, Sprache, Gesundheit und die Förderung von Kindern«, erklärt mir Rania Enan, die 2010 zunächst eine Selbsthilfegruppe gegründet hat aus der der heutige Verein entstanden ist.

Mit mittlerweile fast 400 Mitgliedern beziehen sie bereits ihr viertes Büro in Bremen. In Bremerhaven haben sie zwei weitere Räume. Im Creative Hub sitzen sie direkt neben dem ehemaligen Wartebereich der Kinderklinik inklusive großer Spielecke. Dadurch können sie nun auch Kurse inklusive Kinderbetreuung anbieten und somit noch mehr Frauen die Teilnahme an ihrem Angebot ermöglichen.

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Krankenhausflair meets innovative Menschen & Ideen

Sobald man sich an die spezielle Atmosphäre im ehemaligen Krankenhaus gewöhnt hat, macht es richtig Spaß, durch die zunächst unpersönlichen kalten Flure zu irren, um immer wieder auf ein gestalterisches Highlight zu stoßen. Die meisten Türen haben ein kleines Fenster, durch das auch in die Büroräume geluschert werden kann.

Es ist ein interessanter Prozess, wie die Räume den Bedürfnissen der Projekte an Arbeit und Wohlbefinden angepasst werden. Kurzerhand werden Steckdosenleisten auf Bettenhöhe zur Ablagefläche von Pflanzen genutzt oder Notruftasten mit Postern überhangen. Und so ist jeder Raum einzigartig wie dessen Bewohner*innen. Während einige Räume unbewohnt und anonym bleiben, sind andere sehr liebevoll und individuell gestaltet. Viele Projekte stellen sich an den Türen vor und laden ein, zu klopfen.

Kurz nach der Eröffnung nahm ich an einer Führung durchs Hub teil. Noch bevor ich wusste, wer Neele Buchholz ist, war ich hin und weg von ihrer auffälligen Außengestaltung. Vom Flur aus ist es möglich, durch die großen Fenster des ehemaligen Anmeldebereichs den neu eingelegten Tanzboden und die großen Spiegel zu bestaunen. Die Schauspielerin und Tänzerin hat sich im Creative Hub den Traum vom eigenen Tanzraum mit angrenzendem Büro erfüllt. »Hier möchte ich Duette tanzen, Schauspielunterricht nehmen, Tanztraining, Körperarbeit und Yoga machen. In meinem Büro mache ich Teamsitzungen, Büroarbeit oder gebe auch Interviews.«

Die Bremerin ist deutschlandweit als Schauspielerin gefragt. Derzeit ist sie in der sechsteiligen ARD-Produktion »Eldorado KaDeWe« zu sehen. Da hat es sich angeboten, dass die Grafik Designerin Laura Wehofer aus der zweiten Etage ihre neuen Autogrammkarten gestaltet. Und genau das ist es, um was es geht, wenn so viele Fähige, Kreative, Gründungswillige beieinander sitzen: Austausch und Unterstützung untereinander.

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Preiswerter Raum, um an den eigenen Ideen zu arbeiten

Der geringe Mitgliedsbeitrag und die kostenlosen Räume sind für viele Mitglieder ein wichtiger Motivator ins Hub zu ziehen. Als Teil der Community zahlt man je nach Phase der Gründung einen überschaubaren monatlichen Beitrag und kann sich für einen festen Raum bewerben.

Auf der Suche nach einem Raum, um ihre Ideen auszuprobieren und zu realisieren, kam auch Janna Roloff in den Hub. Mit zwei weiteren Gründerinnen und ihrem Hund Rudi bezieht sie zwei verbundene Büroräume mit Küche, Bad und Balkon mit Sicht auf den Innenhof. In der Lage und zu den Konditionen ist ein solches Büro normalerweise undenkbar.

Janna gründet gerade den gemeinnützigen Verein Brynja. »Brynja soll eine Mischung aus Kulturzentrum und Fitnessstudio für die Psyche werden. Ein Ort, der Kurse, Seminare und Workshops zum Thema psychische Gesundheit anbietet und Informationen über das bestehende Hilfsnetzwerk in Bremen bereitstellt.« Auf der Suche nach einem langfristigen Raum und Finanzierungsmöglichkeiten ist der Creative Hub eine willkommene Zwischenstation.

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Als Mitglied können neben den fest zugeteilten Projekträumen zusätzlich Workshop- und Konferenzräume, ein Podcaststudio, eine Werkstatt, ein Probe- und Bewegungsraum und Co-working-spaces gemietet werden. In den nächsten Monaten will Janna die Seminarräume nutzen, um mit den ersten Kursen zu starten und sich auszuprobieren. 

 

Sich ausprobieren in der Community

Ganz grundsätzlich ist die Möglichkeit, sich auszuprobieren, ein großes Thema im Creative Hub. Das Gebäude bietet der Community viele potenzielle Entfaltungsflächen. Das Treppenhaus und die Flure dienen als Ausstellungsraum für Künstler*innen, auf der Open Stage treten Musiker*innen oder Theaterschaffende bei Events auf.

In der Nähe des Eingangs befindet sich die Cafeteria, in der Food-Projekte abwechselnd ihre Kreationen anbieten. Hier wird ein sicherer Raum gegeben, in dem man sich ausprobieren kann und Feedback von den Kund*innen bekommt. Der Creative Hub ist ein öffentliches Haus. Jede*r kann also in der Mittagspause vorbeikommen, sich umschauen, schnacken und lecker essen. Ich schwärme immer noch von der Erbsensuppe von Veganwheels

Künstlerin oben: Ly Hui, Künstler unten: Anton Rendings
Künstlerin: Dana Hubrich

Die Zwischennutzung endet voraussichtlich im Spätsommer 2022. Was nach der Doktor-Hess-Klinik kommt, ist noch ein Geheimnis. Das Team von Visionskultur wünscht sich mittelfristig etwas Permanentes und ist in entsprechenden Gesprächen. Jetzt freuen sie sich aber erst einmal auf die ersten Sonnenstrahlen, wenn endlich der riesengroße Innenhof für Netzwerktreffen mit Grillen und guter Musik genutzt werden kann.

Mein Weg wird sicherlich noch einige Male ins Creative Hub führen. Geht selbst vorbei und lasst euch vom innovativen Geist mitreißen!

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Über die Autorin

In unserem Onlinemagazin widmet sich Nuria Fischer Projekten, Vereinen und Unternehmen in Bremen, die die Themen soziale Gerechtigkeit und Diversität verfolgen. Nuria will wissen: Wie prägt  Vielfalt unsere Großstadt?