„Ich musste die Stadt erst verlassen, um es zu verstehen: Bremen ist ein echtes Goldstück!“

Als „Stadt in der Stadt“ und heimliche Hauptstraße Bremens zieht die Böttcherstraße unweit des Marktplatzes seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1931 jährlich tausende Besucher:innen mit ihrer kunstvollen Architektur in ihren Bann. Auch bei Harry-Potter-Fans ist die historische Straße sehr beliebt: Aufgrund der einzigartigen Backsteinarchitektur wirkt sie wie die Filmkulisse der berühmten Winkelgasse. Inmitten dieser kunst- und architekturhistorisch bedeutsamen Kulisse hat das BREM.jetzt-Mitgliedsunternehmen manymany motion seinen Sitz in einem schnieken Atelier. Auf einem gemütlichen Ecksofa mit Blick auf die Böttcherstraße steht uns Unternehmensgründer Simon Wenkelewsky Rede und Antwort: Wir haben mit ihm über seine Faszination für Bremen, eine Datingshow bei MTV und die Veränderung der Medienlandschaft durch Streamer:innen gesprochen.

Text: Nicolas Schiffler 

Wir schreiben das Jahr 1998 als Simon Wenkelewsky sich mit einem Freund auf den Weg in die Bremer Innenstadt macht, um Schuhe zu kaufen – was Männer eben so machen. Als die beiden plaudernd über den belebten Marktplatz schlendern und gerade das UNESCO-Weltkulturerbe Roland und Rathaus passieren, wird die Unterhaltung plötzlich unterbrochen. „Mich sprach ein Mitarbeiter des Fernsehsenders MTV an. Ob ich Lust hätte, bei einer Datingshow mitzumachen“, erinnert sich der heute 48-Jährige. Nach kurzer Überlegung sagt er damals zu – und dieser Zufall legt den Grundstein für seine berufliche Karriere. „Während ich nämlich Kandidat in der Sendung war, fand ich die Aufgaben und Abläufe hinter der Kamera viel spannender als die Show selbst“, erzählt Simon Wenkelewsky. Kurze Zeit später absolviert er ein Praktikum bei MTV und arbeitet danach für verschiedene TV-Formate und Medienunternehmen in unterschiedlichen Städten – als Redakteur, Regisseur, Kameramann, Cutter, Autor, Sprecher, Moderator und Produzent.

Bewusste Entscheidung für den Heimathafen Bremen

Betätigen wir die Fast-forward-Taste: Es ist 2010 und in Bremen macht sich Simon Wenkelewsky mit IMAGE in MOTION selbstständig, woraus knapp 10 Jahre später die manymany motion GmbH erwächst. Die Filmproduktionsagentur hat sich auf die Konzeption und Umsetzung von jeglichen Medien, mit Schwerpunkt Bewegtbild, Fotografie und Audio spezialisiert. Das Portfolio reicht von Imagefilmen über 2D-Animation, 3D-Design, Kinowerbung und Eventdokumentation bis hin zu Content für Social-Media und Streaming-Aufträgen für die jüngere Zielgruppe. Die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens beantwortet er so:

„Unsere Herangehensweise ist, dass wir viel Wert auf Abwechslung, Innovation und Humor legen, dass wir Neues anpacken, ausprobieren und dabei trotzdem als Dienstleister fungieren– wir wollen dem Kunden gefallen, nicht unserem Ego. Wir betrachten jedes Projekt individuell, liefern keine Routinearbeit ab und schauen, welche unserer Ideen und Lösungen am besten zum Auftraggeber passen.“

Mittlerweile arbeiten zehn Menschen bei manymany motion. Sie betreuen namhafte Kunden wie Eucerin, den Haushaltsgerätehersteller Miele oder den Automobilproduzenten Mercedes. Hinzu kommen auch viele Firmen mit Sitz in Bremen wie der Weser-Kurier, OHB oder team neusta.

 

Dass der Besitzer von über 250 Brettspielen seine Firma ausgerechnet in der Hansestadt gegründet hat, ist im Gegensatz zu seinem beruflichen Werdegang kein Zufall. „Ich bin in den 90ern in Bremen erwachsen geworden. Schon damals habe ich die Mischung aus Groß- und Kleinstadt geschätzt“, erzählt Simon Wenkelewsky. Dennoch hatte er schon während des Studiums das Gefühl, seine Heimatstadt verlassen zu müssen – um „den eigenen Horizont zu erweitern und die große weite Welt kennenzulernen“, wie er selbst sagt. Nach Stationen in Berlin, Hamburg, Hannover und Kalifornien stellte der begeisterte Ballsportler schließlich fest: „Bremen hat von allen Städten die perfekte Mischung. Aufgrund der gesammelten Erfahrungen habe ich Bremen wieder schätzen gelernt. Also bin ich 2009 zurück an die Weser gezogen und bin bis heute glücklich und zufrieden mit dieser Entscheidung“, beschreibt Simon Wenkelewsky seine Beweggründe für die Rückkehr.

Viele Kunden von manymany motion haben ihren Sitz an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik. Abgesehen davon kann es schon einmal vorkommen, dass ein Videodreh für eine bekannte Biermarke mit Jürgen Klopp in Liverpool stattfindet – der direkte Auftraggeber war ebenfalls eine Bremer Agentur.

„Wir leben in einer digitalen Welt, unsere Projekte könnte ich gemeinsam mit meinen Kolleg:innen auch in Hamburg, Köln oder Berlin umsetzen. Ich lebe und arbeite aber ganz bewusst in der Hansestadt. Der große Vorteil von Bremen ist die hohe Lebensqualität. Hinzu kommt, dass in anderen Städten mehr Wert auf die Außendarstellung gelegt wird. Hier sind die Menschen viel entspannter und jeder kann so sein, wie er oder sie sein möchte. Es gibt in Bremen wenig ausgefahrene Ellenbogen“, sagt der frühere Weltenbummler.

Neue Digitalformate mit weltbekannten Streamer:innen

Angesprochen auf Projekte und aktuelle Trends, die manymany motion umsetzt, kommt Wenkelewsky mit leuchtenden Augen ins Schwärmen. „Die Streamingplattform Twitch ist bei der jüngeren Zielgruppe längst das neue Fernsehen. Die Streamer:innen teilen dort ihre Videoinhalte und werden so zu kleinen Ein-Mann- oder Ein-Frau-TV-Sendern. Sie können zudem während ihrer Sendung live mit den Zuschauer:innen interagieren. Das Besondere ist, dass diese Stars ihre ganz eigenen Entscheidungen treffen und sich ihre Branche selbst gestalten können. Sie sind keinen Einschränkungen eines Senders, Konzerns oder irgendwelchen Vorgesetzten unterworfen. Sie entwickeln völlig frei eigene Ideen, um ihre Follower [Anm.d.Red.: Personen vor den Bildschirmen] zu unterhalten. Und beim Entwickeln dieser Formate helfen wir und setzen sie gemeinsam mit ihnen um.“

Den Einfällen und Plänen der Streamer:innen sind dem Digitalexperten zufolge kaum Grenzen gesetzt. „Samstagabend-Liveshows und Sportevents, die auf der Plattform Twitch oder bei Joyn gezeigt wurden, haben wir mit Konzeption, Hintergrundanimationen, Einspielern, Aftermovies, Trailern, Sound-Design und Fotos unterstützt“, berichtet Simon Wenkelewsky. Darüber hinaus war er auch für die Regie oder die sogenannte Creative Direction vor Ort verantwortlich. Eine mehrteilige Gameshow drehte das Team von manymany motion in einem Wasserpark sowie vor traumhafter Kulisse auf Madeira, und für ein Survival-Experiment ging es in die entlegensten Wälder Finnlands. „Das sind absolute Highlights unserer Arbeit. Genauso gerne realisieren wir für unsere Kunden aber auch Erklärfilme, Imagevideos oder Eventdokumentationen, die weniger Reiseaufwand erfordern“, sagt der gebürtige Bremer.

Ein Thema liegt dem Spezialisten für digitale Dienstleistungen besonders am Herzen: „Insbesondere durch das Streaming kann mittlerweile jeder und jede die gewünschten Inhalte ungefiltert mit dem eigenen Handy veröffentlichen. Die Qualität der auf diese Weise entstehenden Videos hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert, sodass wir generell feststellen, dass sich auch die Medienlandschaft radikal verändert.“ Da die Streamer:innen von heute weitaus nahbarer und präsenter seien als die Stars von früher, „haben wir einen ganz anderen Zugang zu ihnen und hinterfragen Meinungen und Ansichten viel seltener. Es fühlt sich an, als ob sie zu unserem Freundeskreis gehören. Um aber besser zwischen Wahr und Falsch unterscheiden zu können, brauchen wir mehr Medienkompetenz. Ich habe den Eindruck, dass Eltern und Schulen davon selbst ein wenig überfordert sind, hier benötigt es viel mehr Aufklärung und Verständnis untereinander“, sagt der Familienmensch.

Als Simon Wenkelewsky mit seiner Erzählung endet, blick er kurz aus dem Fenster. Unter ihm laufen Menschen mit staunenden Blicken durch die Böttcherstraße. Hier gibt es zwar keine Geschäfte für Zaubereibedarf, dafür aber kleine Handwerksläden, Manufakturen, Kunstausstellungen und das Glockenspielhaus, in dem zu jeder vollen Stunde 30 Glocken aus Meißner Porzellan erklingen. „Ich genieße jeden einzelnen Tag, den ich hier sein darf“, lächelt der Unternehmensgründer. Dem ist nichts hinzuzufügen.