Held:in des eigenen Lebens sein
Die Wipfel der meterhohen Eichenbäume biegen sich in der leichten Brise, die an diesem Tag durch Bremen-Woltmershausen weht. Kräne, Bagger und in Metall eingerüstete Gebäude: In die Geräuschkulisse der Baustelle mischen sich die vertrauten Klänge von zwitschernden Vögeln und raschelndem Laub. Es ist eines der derzeit spannendsten Bauprojekte der Hansestadt: das Tabakquartier Bremen. Ehemals eine Zigarettenfabrik, entstehen hier in den nächsten Jahren auf über 20 Hektar Fläche zahlreiche Wohnungen, Gastro- und Kulturangebote, ein Hotel, eine Kindertagesstätte, ein Park sowie Geschäftsräume. In einem der schon fertiggestellten Gebäude hat sich die Heldenschmiede Bremen ihr Büro eingerichtet.
Text: Nicolas Schiffler
Während die gläserne Balkontür ins Schloss fällt, macht es sich Raphaela Dell auf dem gemütlichen roten Sofa bequem. Ihr gegenüber sitzt in einem tiefen Polstersessel Armin Straub. Gemeinsam mit Erik Roßbander haben die Drei vor knapp anderthalb Jahren die Heldenschmiede gegründet. In einer Rednerschule, einer Lebensschule, einer Schauspielschule und in der Unternehmensberatung bündeln sie ihre zahlreichen Kompetenzen und ihre über die Jahre gesammelten Erfahrungen. Nach einem Schluck aus der Kaffeetasse beginnt Dell über die Gründung, ihren eigenen außergewöhnlichen Lebenslauf und die Kunst des niemals Aufgebens zu erzählen.
„Ich arbeite eigentlich schon mein ganzes Leben lang als selbstständige Trainerin und habe große Freude daran, mit Menschen an ihren Zielen, Wünschen und Träumen zu wirken“, berichtet die 61-Jährige. Raphaela Dell ist ausgebildete Schauspielerin und arbeitete 20 Jahre vor und hinter der Kamera für das Fernsehen, bevor sie 2002 eine Ausbildung zur Managementtrainerin und Beraterin begann. Seit 2018 ist sie zudem freiberuflich als Hochzeitsrednerin tätig. Kurz vor dem Beginn der Coronapandemie fing sie bei der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Überlingen als Senior Beraterin an. Nachdem die Hochschule überraschend geschlossen wurde, war die begeisterte Golferin plötzlich arbeitslos. „Ich habe daraufhin einige Bewerbungen geschrieben und teilweise nicht einmal eine Antwort bekommen. Es war mir ziemlich schnell klar, dass ich wieder in die Selbstständigkeit gehe“, sagt Dell.
Etwas Besseres als den Tod findest du überall: das Motto der Heldenschmiede
Erik Roßbander war Dell schon seit vielen Jahren als Shakespeare-Darsteller bekannt. Nach ihrem Umzug nach Bremen im Jahr 2016 führte der erste Kulturgang in die Bremer Shakespeare Company. Kurz vor Beginn der Pandemie stellte Dell dort ihr Projekt „Shakespeare goes Business“ vor. „Erik erkannte sofort die Schönheit und die Nützlichkeit der Idee. Der Lockdown wurde für uns zum Geschenk, denn so konnten wir uns in Ruhe austauschen und Ideen für eine Zusammenarbeit ausloten. Gemeinsam mit Armin, der sich ebenfalls im beruflichen Umbruch befand, haben wir uns für die Gründung der Akademie entschlossen. Dabei haben wir von der erstklassigen Beratung der Arbeitsagentur sowie der Gründungsförderung in Bremen profitiert.“
„Raphaela steckte voll unglaublich vieler Ideen und hat bei uns zuhause die ganzen Wände vollgekritzelt“, ergänzt Armin Straub mit einem Lächeln. „Wir haben uns dann für ein Wochenende in einem Haus in Lüneburg verschanzt und überlegt, wie wir unsere zahlreichen Gedanken umsetzen können. Und nach drei Tagen war schließlich die Heldenschmiede geboren“, fügt Dell hinzu. Straub: „Erik und ich fanden die Ansätze von Raphaela unglaublich faszinierend und sind dann eingestiegen. Seitdem kümmere ich mich mit Raphaela um den Unternehmensbereich 4Business und die Lebensschule. Erik baut die Redner -und Schauspielschule auf. “ Die Heldenschmiede ist demzufolge aus sich selbst entstanden und bildet passgenau den Erfahrungsschatz und die Kompetenzen der drei Gründerinnen und Gründer ab.
Der gebürtige Wilhelmshavener Straub hat in Göttingen Lehramt und Sport studiert und im Anschluss an einem Forschungsprojekt zur Sporttherapie mitgearbeitet. Nach einem anderthalb-jährigen Aufenthalt in den USA schrieb er seine Promotion und war dann knapp 27 Jahre in der Unternehmensberatung tätig – zunächst bei einer Krankenkasse und dann von 2002 bis 2018 bei Mercedes-Benz. „Dort habe ich Führungskräfte in Veränderungsprozessen beraten. Als dann der Unternehmensbereich wegfiel, wurde ich gebeten zu gehen, es war quasi wie bei den Stadtmusikanten“, erzählt Straub. Die Geschichte der vier Tiere, die sich auf den Weg nach Bremen machten, da sie nicht mehr gebraucht wurden und nun etwas Neues ausprobieren wollten, passt perfekt zur Entstehungsgeschichte der Heldenschmiede. „Auch aus diesem Grund finden sich die Stadtmusikanten in unserem Logo wieder“, erklärt Dell.
Hilfe zur Selbsthilfe
Vereinfacht ausgedrückt, bietet die Heldenschmiede Menschen, die sich in schwierigen beruflichen Lebensumständen befinden, eine Hilfe zur Selbsthilfe an. „Wir können unseren Kundinnen und Kunden gezielt helfen, weil wir viele ähnliche Situationen schon durchgestanden haben. Aufgrund von eigenen Lebens- und Berufserfahrungen haben wir zahlreiche Veränderungen miterlebt und können die individuellen Gefühle gut nachempfinden“, verdeutlicht der Wahlbremer. Bei den Beratungsgesprächen in der Heldenschmiede stehen immer der Mensch und die persönliche Lebenssituation im Mittelpunkt. In Kombination mit der fachlichen Komponente stellt dies eines der Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens dar.
Aus der Idee wurde Realität: Anfang Mai 2022 erfolgte der Startschuss für die Heldenschmiede. Im Konzept ist Raphaela Dell eines besonders wichtig: „Wir schmieden hier keine Leute. Das müssen unsere Kundinnen und Kunden schon selbst machen, wir geben ihnen lediglich die Anleitung dazu. Denn DU spielst die Hauptrolle in deinem eigenen Leben.“ In dem Persönlichkeitsseminar der Lebensschule „Kairos I“ beispielsweise erlernen Teilnehmende, sich aus einer passiven Position zu befreien und aktiv Chancen und Zeitpunkte zu nutzen. „Wir lenken dabei den Blickwinkel auf die Möglichkeiten, die sich aus verschiedenen Situationen ergeben. Wir helfen unseren Kundinnen und Kunden dabei, neu über sich nachzudenken“, erklärt die ehemalige Moderatorin. In dem darauffolgenden Workshop „Kairos II“ geht es dann um die konkrete Umsetzung der entwickelten Ideen. „In diesem Seminar tauschen sich die Teilnehmenden untereinander aus und helfen sich gegenseitig. Und dann entwerfen wir daraus Lebenspläne und gestalten die ‚neue‘ Zukunft.“
Nach Bremen gekommen, um zu bleiben
„Wie finde ich meinen Platz in der sich rapide verändernden Wirtschaftswelt?“ Eine Antwort darauf bietet der Unternehmensbereich „4Business“ der Heldenschmiede Bremen. „In den Seminaren betreiben wir – mit Blick auf Umgestaltungen – Potenzialentwicklung im Unternehmenskontext“, sagt Straub. „Unsere Kundinnen und Kunden lernen dabei, sich und ihr Handeln zu hinterfragen. Also, bin ich eigentlich die Führungskraft, die ich sein möchte? Und was kann ich tun, um Veränderungen in meinem Betrieb oder meiner Abteilung zu ermöglichen? Das Stichwort lautet Change-Management. In den Workshops merken viele Teilnehmende, dass sie mit ihren Problemen und Ängsten nicht allein sind.“ Die Heldenschmiede legt den Fokus auf die Vermittlung von verschiedenen Metakompetenzen, die die Arbeitswelt von morgen bestimmen – wie etwa Selbstorganisation und -reflexion, Transferfähigkeit, interkulturelle Kompetenzen sowie Anpassungsfähigkeit.
Der Weg zur Gründung der Heldenschmiede war nicht einfach und immer wieder von Rückschlägen geprägt, doch eines stand dabei nie zur Debatte: der Standort Bremen. Die Stadtmusikanten haben es zwar nie bis nach Bremen geschafft, Raphaela Dell und Armin Straub sind dafür umso mehr in der Hansestadt angekommen. „Ich mag das Überschaubare“, sagt die gebürtige Rheinländerin Dell. „Mir gefallen der Geist und der Spirit einer Großstadt und trotzdem gibt es diese gemütlichen Quartiere, in denen ich mich sehr wohlfühle.“
„Ich komme gebürtig aus Wilhelmshaven und liebe die Stadt am Wasser. Bremen ist es eindrucksvoll gelungen, den Fluss ins Zentrum zu integrieren. Und ich finde, in Bremen gibt es viele Plätze mit grüner Natur. Hier ist alles, was man zu einem guten Leben braucht“, so Straubs Fazit.