Bremen - Stadt der Wissenschaft

 

Der Wissenschaftsstandort Bremen sichert aktuell über 24.000 Arbeitsplätze. Attraktive Studienangebote sowie verschiedene Forschungs- und Technologiezentren bündeln vorhandene Kompetenzen und sorgen für hochqualifizierten Nachwuchs.

Text: Nicolas Schiffler 

Bis zur Spitze sind es knapp 600 Stufen: Ein atemberaubender Ausblick aus 146 Metern Höhe über den Stadtwald sowie den Technologiepark der Universität Bremen, ist die Belohnung für die Strapazen des Aufstiegs. Der in Europa einzigartige und für das Stadtbild der Hansestadt charakteristische Fallturm, ist eines der Aushängeschilder des Wissenschaftsstandortes an der Weser. Er ist ein wichtiger Bestandteil der Forschungen am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM), denn in seiner 110 Meter langen Röhre führen Wissenschaftler Experimente in vollständiger Schwerelosigkeit durch. Dabei modellieren sie raumfahrttechnologische Vorgänge und leisten einen essenziellen Beitrag zur Forschung unter Weltraumbedingungen.

Wissenschaft an der Weser – hoch hinaus

Hoch hinaus geht es in Bremen nicht nur im Fallturm, sondern auch in der Luft- und Raumfahrt: Über 20 Institute und ein innovatives Umfeld aus hochqualifizierten Mitarbeitern sowie renommierten Unternehmen wie Airbus, Rheinmetall oder OHB machen Bremen zum führenden Zentrum für zivile und militärische Luftfahrtindustrie in Europa. Insgesamt mehr als 12.000 Beschäftigte entwickeln und fertigen in der Hansestadt modernste Satelliten und Trägerraketen. Produkte und Bausteine für weltbekannte Projekte wie etwa die Flügelausrüstung von Flugzeugen oder das Satellitennavigationssystem GALILEO werden in Bremen hergestellt. Außerdem verantwortet die Stadt an der Weser den Betrieb der europäischen Elemente der Internationalen Raumstation ISS sowie Entwicklung und Bau des Servicemoduls für das Raumschiff Orion. Auch die Trägerraketen Ariane 5 und 6 werden hier entwickelt. Aufgrund ihrer hohen Innovationskraft und einem Jahresumsatz von über 4 Milliarden Euro, bildet die Branche einen wesentlichen Stützpfeiler der bremischen Industrie. Um neuesten Anforderungen gerecht zu werden und für hochqualifizierten Nachwuchs zu sorgen, bieten die Hochschule und die Universität in Bremen unterschiedliche Studiengänge und Schwerpunkte für Luft- und Raumfahrt-Ingenieure an.

Die Wissenschaft im kleinsten Bundesland Deutschlands besticht darüber hinaus durch ihre thematische Vielfalt: Hier wird nicht nur der Luft- und Weltraum erforscht, sondern auch das Klima sowie das ewige Eis am Nord- und Südpol. Besser gesagt: Am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Ob per Forschungsschiff, mit den vom Bremer Airport startenden Fliegern Polar 5 und 6 oder direkt an der Neumeyer-Station III in der Antarktis – die Wissenschaftler haben sich der Erkundung der Polarregionen verschrieben. Zu den Aufgaben des AWI gehört neben der Auswertung von Expeditionsergebnissen auch die Beratung von Politik und Gesellschaft. So erstellen Wissenschaftler des Forschungsinstituts Weltklimaberichte und erarbeiten Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels.

Aus Bremen in die Zukunft

In der Hansestadt arbeiten führende Spezialisten auf exzellentem Niveau an der spannendsten Technologie der Zukunft – der Künstlichen Intelligenz. Gebündelt werden die Forschungsaktivitäten im hiesigen Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Es vereint die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Stärken im Land und ermöglicht Unternehmen, Fachkräften und der Öffentlichkeit den Zugang zu KI-Technologien. Das Institut ist in Norddeutschland einzigartig und die Schmiede intelligenter und technischer Systeme. Von Robotern für den Einsatz in Risikogebieten über Möglichkeiten zur Rehabilitation nach einem Schlaganfall bis hin zu verlässlicher Elektronik für selbstfahrende Fahrzeuge und das Smart Home – die am DFKI in Bremen entwickelten Technologien unterstützen den Menschen in vielen Bereichen des täglichen Lebens und Arbeitens.

Tüftler der Universität Bremen und des DFKI stellen ihr Wissen in Künstlicher Intelligenz regelmäßig unter Beweis. Mit ihrem Team B-Human sind sie siebenmaliger Weltmeister im Roboterfußball und damit das beste Team der Welt in der sogenannten Standard Platform League. Die Roboter werden vorab programmiert, müssen aber während des Spiels alle Entscheidungen selbst treffen.

Der Wissenschaftsstandort in der Hansestadt hat neben der Pionierarbeit in der Künstlichen Intelligenz überdies noch weitere Besonderheiten zu bieten. In Bremen ist 2019 die Werkstatt der Zukunft entstanden: das Forschungs- und Technologiezentrum ECOMAT. Kerngedanke ist eine effektivere und kostengünstigere Erforschung industrienaher Verfahren und Technologien. Der Erprobung innovativer Leichtbaumaterialien kommt eine Schlüsselfunktion künftiger klimaneutraler Mobilität und Energieeffizienz zu – ob in der Luft- und Raumfahrt, der Auto- und Windindustrie oder auch im Schiffbau. Die Suche nach neuen Baustoffen ist ein wesentlicher Faktor für den effektiven Einsatz von Werkstoffen, sparsamere Verwendung von Ressourcen und der Verringerung von Emissionen. Hinzu kommt die Digitalisierung als zentraler Innovationstreiber, die künftig auch in der Produkt- und Materialentwicklung Prozesse beschleunigt. Im ECOMAT entwickeln rund 500 Mitarbeiter auf knapp 22.000 Quadratmetern Materialien von morgen – in einem Technologiezentrum der Extraklasse, das deutschlandweit in dieser Form seinesgleichen sucht.

Entdeckungen und Erfindungen made in Bremen

Die Stadt an der Weser hat viele Geschichten zu erzählen, wissenschaftliche Erfolge zu verbuchen und Erfindungen zu bieten. So entdeckten Wissenschaftler des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie vor der Küste Namibias Mikroorganismen mit einem Durchmesser von bis zu 0,75 Millimetern – die größte bisher bekannte und „Schwefelperle“ genannte Bakterienart. Ein weitere Bremer bewies bereits im Jahr 1936 echten Mut und Pioniergeist: Henrich Focke startete damals mit dem ersten Hubschrauber der Welt auf einen Jungfernflug. Dabei gelang ihm das Meisterstück, in nur vier Jahren Entwicklungs- und Bauzeit, einen leistungsfähigen Helikopter zu konstruieren.

Und auch für den Genuss haben Bremer ihre Verdienste zu verzeichnen. So werden heute die Bohnen für jede dritte in Deutschland getrunkene Tasse Kaffee über Häfen in Bremen umgeschlagen – einige davon auch für entkoffeinierten Kaffee. Diesen erfand der Bremer Kaufmann Ludwig Roselius und patentierte das Verfahren, bevor er 1906 die Kaffee-Handels AG (Kaffee HAG) gründete.

 Darüber hinaus gibt es hier neben revolutionären Technologiezentren und zukunftsweisenden Erfindungen, Wissenschaft zum Anfassen, Mitmachen und hautnah Erleben. Im Universum Bremen werden aus Besuchern in den Bereichen Technik, Mensch und Natur wahre Entdecker. An über 300 Exponaten probieren sich kleine und große Forscher mit allen Sinnen an verschiedensten naturwissenschaftlichen Phänomenen und Experimenten aus. Das Science Center zählt mit seinem interaktiven Konzept und seinen wechselnden Sonderausstellungen zu den erfolgreichsten Wissenschaftsmuseen Deutschlands.

Klein, aber oho! Trotz seiner geringen Größe besticht Bremen mit hohen wissenschaftlichen Standards. Europaweit einzigartige Entwicklungszentren wie das DFKI oder das ECOMAT arbeiten Hand in Hand mit Global Playern aus verschiedenen Branchen und liefern neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Durch die unmittelbare Nähe zu Universitäten und Hochschulen, treibt hochqualifizierter wissenschaftlicher Nachwuchs weitere Innovationen und die Ideen von morgen voran. So ist es nicht verwunderlich, dass die Wochenzeitung „Die Zeit“ Bremen bereits 2004 mit einem besonderen Titel auszeichnete – die erste „Stadt der Wissenschaft“.